Was ist Autismus?

Autismus ist eine genetisch bedingte menschliche neurologische Variante, die angeboren ist und während der gesamten Lebensdauer einen tiefgreifenden Einfluss auf die Entwicklung auf verschiedenen Ebenen hat. Autismus verursacht charakteristische, untypische Arten des Denkens, der Bewegung, der Interaktion, sowie der sensorischen und kognitiven Verarbeitung. (vgl. Walker, 2015)

Das sensorische Erleben eines autistischen Kindes ist auf der Welt intensiver und chaotischer als das eines nicht-autistischen Kindes, und die beständige Aufgabe, diese Erfahrungen zu steuern und einzubeziehen, beansprucht somit mehr Aufmerksamkeit und Energie des autistischen Kindes. Dies bedeutet, dass das autistische Kind weniger Aufmerksamkeit und Energie zur Verfügung hat, um sich auf die Subtilität der sozialen Interaktion zu konzentrieren. Die Schwierigkeit den sozialen Erwartungen von Nicht-Autisten zu entsprechen, führt häufig zu gesellschaftlicher Ablehnung, die soziale Schwierigkeiten weiter verschärft und die gesellschaftliche Entwicklung behindert. (vgl. Walker, 2015)

Häufigkeit

Nach derzeitigen Schätzungen ist der Anteil an autistischen Menschen in der Weltbevölkerung ungefähr 1 - 2 %. In den letzten Jahrzehnten wurde bei immer mehr Menschen Autismus diagnostiziert. Fachleute vermuten, dass dieser Anstieg nicht auf eine tatsächliche Zunahme von Autismus zurückzuführen ist. Stattdessen könnte er durch ein höheres öffentliches und fachliches Bewusstsein für das Thema erklärt werden. (vgl. Walker, 2015)

Diagnose in Deutschland

In der derzeit gültigen ICD-11 (International Classification of Diseases) der WHO wird das Autismus-Spektrum als neurologische Entwicklungsstörung aufgeführt. Unterschieden wird in diverse Ausprägungsgrade in den Bereichen Sprache und Intelligenz. Diese Klassifikation ist Grundlage, der hier in Deutschland durchgeführten psychologischen Diagnostik, welche von speziell geschulten Psychotherapeut*innen oder Kinder- und Jugendtherapeut*innen sowie Ärzt*innen angeboten wird.

Menschen im Autismus-Spektrum haben wissenschaftlichen Studien zufolge generell ein erhöhtes Risiko an psychischen und neurologischen Erkrankungen zu leiden. Die häufigsten komorbiden Störungen sind:

  • Depressivität
  • Angststörungen
  • ADHS
  • Epilepsie
  • Tic-Störungen
  • Schlafstörungen

(vgl. Mannion & Leader, 2013)

Mit der Autismus-Diagnose ergeben sich verschiedene Möglichkeiten der therapeutischen, pädagogischen sowie finanziellen Unterstützung, wie beispielsweise Pflege- und Krankenkassenleistungen sowie Eingliederungshilfeleistungen.

Autistische Merkmale und Verhaltensreaktionen

Menschen mit Autismus können in verschiedenen Bereichen Besonderheiten aufweisen, die ihre Wahrnehmung, Kommunikation und Interaktion prägen.

  • Unterschiedliche (hyper- oder hypo-)sensorische Erfahrung
  • Unübliches Lernverhalten und Problemlösungsverhalten
  • Fokussiertes Denken und ausgeprägte Interessen in speziellen Bereichen
  • Atypische, manchmal repetitive Bewegungsmuster
  • Bedürfnis nach Beständigkeit, Routine und Ordnung
  • Schwierigkeiten, Sprache zu verstehen und sich sprachlich auszudrücken, so wie es üblicherweise in Kommunikationssituationen (Gesprächen) erwartet wird
  • Schwierigkeiten, typische soziale Interaktionen zu verstehen und mit anderen Personen zu interagieren

(vgl. Theunissen, 2020)